Nachname
Pichler
Vorname
Michael
Geschlecht
Männlich
Alter
22
Geburtsdatum
01.03.1921
Geburtsort
Hermagor
, Österreich
Todesdatum
08.05.1943
Todesort
LKH Klagenfurt
, Österreich
Gruppe
Euthanasie
Freitext
Michael Pichler wurde in Möschach bei Hermagor geboren. Immer wieder war er in jungen Jahren als Hilfsarbeiter z.B. in Steinbrüchen tätig. Seine Leidensgeschichte verdeutlicht einerseits seinen unbeugsamen Freiheitsdrang und andererseits den unbedingten Willen der NS-Mediziner, insbesondere des Dr. Niedermoser, diesen zu unterdrücken. Mit seiner Ermordung wollte sich seine Mutter Anna Gucher aus Grünburg bei Hermagor nicht einfach so abfinden und brachte im Rahmen des Gerichtsprozesses in Klagenfurt gegen Dr. Niedermoser u.a. eine Sachverhaltsdarstellung ein, aufgenommen vom ermittelnden Beamten Heinrich Schüttelkopf aus Hermagor, in dem sie den Leidensweg ihres Sohnes nacherzählte. Es ist dies ein eindrucksvolles Dokument der Grausamkeiten, die im Betrieb der Anstalt in Klagenfurt während der NS-Zeit alltäglich gewesen sind. Diese Sachverhaltsdarstellung, eingebracht am 3.3.1946, sei hier paraphrasiert und in besser lesbare Sprache gebracht wiedergegeben:
"Michael litt laut Angaben seiner Mutter zeitweise an epileptischen Anfällen, bei denen er „tobsüchtig und irrsinnig“ wurde. Deswegen wurde er zum ersten Mal von März bis September 1939 in der psychiatrischen Abteilung Klagenfurt behandelt, bis sie ihn auf Revers in die häusliche Pflege entnahm. Doch bereits im Jänner 1940 wurde er wieder nach Klagenfurt eingeliefert, diesmal blieb er dort etwas mehr als ein Jahr. Am 20.1.1941 ist er jedoch von dort ausgebrochen und kehrte in die Wohnung seiner Mutter zurück. Wenige Tage nach diesem Fluchtversuch wurde er allerdings wieder eingeliefert und blieb bis zum 19.10.1942 eingewiesen. An diesem Datum unternahm Pichler abermals einen „Ausbruch“ und kehrte zu seiner Mutter zurück. Es dauerte allerdings wiederum nicht lange, bevor er laut Angaben der Mutter von den Wärtern aus Klagenfurt zurückgeholt wurde. Nun schildert seine Mutter in drastischen Worten seine Bestrafung in der psychiatrischen Abteilung, welche ihr Michael bei einem ihrer Besuche mitteilte: Er sei in einer Einzelzelle untergebracht worden, ohne über Bekleidung zu verfügen, und konnte dort lediglich auf Stroh liegen.
Auch die Wärter sollen laut Anna Gucher diese Angaben bestätigt haben. Aufgrund seines nun immer schlechter werdenden Gesundheitszustandes beschloß die Mutter, ihren Sohn abermals aus der Anstalt zu entnehmen. Zu Hause erholte sich Michael und begann in einem Steinbruch zu arbeiten, bis sich sein Zustand im März 1943 wieder verschlechterte und er, auf Betreiben des Hausarztes, zum fünften Mal in Klagenfurt aufgenommen wurde. Lange hielt er es dort nicht aus, entwich er doch am 6.4.1943 ein letztes Mal aus der Anstalt. Er hielt sich anschließend acht Tage bei seiner Mutter auf, wurde allerdings abermals von den Wärtern der Anstalt zurückgeholt und laut seiner Mutter wieder strafweise in die Einzelzelle gesteckt. Einige Zeit später wurde Anna Gucher von einem Verwandten, Jakob Warmut, Pfleger im Klagenfurter Krankenhaus, auf den schlechten Gesund heitszustand ihres Sohnes aufmerksam gemacht. Explizit wies er sie darauf hin, keine Angaben zu machen, daß die Nachricht von ihm stamme. Daraufhin begab sich die Mutter nach Klagenfurt, um sich nach ihrem Sohn zu erkundigen. Zu dieser Gelegenheit wurde ihr aber mittgeteilt, daß ihr Sohn Michael Pichler bereits am 8.5.1943 verstorben sei. Als sie nun nachfragte, ob ihr Sohn wieder in der Einzelzelle untergebracht war, erhielt sie von einem Wärter die Antwort, er dürfe ihr dies nicht mitteilen. Bei einem weiteren Gespräch mit Jakob Warmut habe dieser gesagt, daß ihr Sohn bei einer Visite Dr. Niedermoser anflehte, ihn aus der Zelle zu nehmen, worauf Dr. Niedermoser lediglich geantwortet haben soll „Ich höre nichts“. Weiters bestätigte er ihr, daß Michael Pichler bis zum Tag vor seinem Tod in der Zelle untergebracht gewesen sei, die ungeheizt gewesen ist und in der er keine Kleidung und keine Schlafmöglichkeit außer dem Boden und etwas Stroh gehabt habe."
Quelle:
Gitschtaler, Bernhard (Hg.) (2015): Ausgelöschte Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal – Ein Erinnerungsbuch. Otto-Müller Verlag, Salzburg, S. 83ff